| Antrag: | Kinderarmut in NRW nachhaltig bekämpfen! |
|---|---|
| Antragsteller*in: | SJD Die Falken LV NRW |
| Status: | Angenommen |
| Angelegt: | 20.11.2025, 19:48 |
Ä10 zu A2: Kinderarmut in NRW nachhaltig bekämpfen!
Von Zeile 20 bis 21:
Kinder im Bürgergeldbezug stellt NRW nach den Stadtstaaten und dem Saarland den Spitzenreiter unter den Flächenbundesländern. [2][2]Kinderrechte gelten für ALLE Kinder. Zustände, die die Verwirklichung dieser Rechte systematisch verhindern, sind inakzeptabel.
Die Vollversammlung möge beschliessen:
Auch NRW ist ein alterndes Land. Kinder sind zunehmend eine Minderheit und die
alternde Gesellschaft ist weder kindgerecht noch gerecht zu Kindern und
Jugendlichen. Weniger Kinder und Jugendliche, die heute in Armut und mit
geringen Bildungschancen leben, sind weniger junge Erwachsene, die in
struktureller Rücksichtslosigkeit aufgewachsen sind und künftig weniger
Rentner*innen, die unter Altersarmut leiden.
Im Sommer 2025 antworteten 72 % der Befragten in einer Studie, dass der
Bürgergeld-Regelsatz von 563 € nicht ausreiche, um ein würdevolles Leben zu
führen.[1] Noch alarmierender: Nur etwa die Hälfte gibt an, dass im Haushalt
alle satt werden. Eltern verzichten oft zu Gunsten der Kinder auf Essen (54 %).
Zusätzlich berichten die Befragte von Alltagserfahrungen wie: Verzicht,
Unsicherheit, Ausgrenzung, große Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche. Viele
Befragte leben mit Scham- oder Angstgefühlen. 42 % schämen sich, Bürgergeld zu
beziehen. 72 % fürchten, dass die Politik weitere Verschärfungen beschließt.
NRW ist ein Bundesland mit hoher Bevölkerungszahl, großer Wirtschaftsregion,
aber auch starken sozialen Disparitäten – etwa zwischen städtischen Zentren,
peripheren Regionen, reichen und armen Stadtteilen. Mit 15,9 Prozent aller
Kinder im Bürgergeldbezug stellt NRW nach den Stadtstaaten und dem Saarland den
Spitzenreiter unter den Flächenbundesländern. [2][2]Kinderrechte gelten für ALLE Kinder. Zustände, die die Verwirklichung dieser Rechte systematisch verhindern, sind inakzeptabel.
Für viele Familien in NRW bedeutet Bürgergeld keine Sicherheit, sondern einen
Mangel, der sich auch auf Grundbedürfnisse wie gute Ernährung, Gesundheit,
sichere Wohnung, Teilhabe an Freizeitaktivitäten, Kultur und Bildung auswirkt.
Im Jahr 2024 waren in NRW 9,7 % der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren
„erheblich materiell und sozial depriviert“. Ältere Menschen ab 65 Jahren waren
deutlich weniger betroffen: nur etwa 5,0 %.[3]
Damit Kinderarmut in NRW nachhaltig bekämpft wird, fordert der Landesjugendring
NRW:
1. Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt politischen Handelns stellen. Dazu
gehören:
- Umsetzung, bzw. erkennbare Fortführung der im Pakt gegen Kinderarmut NRW
in 2023 und im Landesprogramm „kinderstark – NRW schafft Chancen“[4]
genannten Maßnahmen insbesondere zur Armutsprävention.
- Investitionen in die Zukunft von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in
ihre Bildung und ihre Gesundheit, sind Investitionen in den Erhalt
demokratischer Werte, steuern weiterem Fachkräftemangel entgegen und
vermitteln Zuversicht statt Resignation.
- Erweiterung der Aufgaben der/des Kinderschutzbeauftragten in NRW auf den
Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Benachteiligungen aufgrund
steigender (Kinder-)Armut in NRW.
- Umsetzung der in der EU Kindergarantie seit 2021 geforderten zentralen
Maßnahmen in NRW, insbesondere bezogen auf Bildungsangebote, einer
gesunden Mahlzeit pro Tag und angemessenem Wohnraum.[5]
- Einsatz der NRW Regierung auf Bundesebene für eine Reform der
Erbschaftssteuer. Die Mehreinnahmen dieser Landessteuer sollten in die
Zukunft der jungen Generation und den Ausbau der Infrastruktur für Bildung
und Gesundheit investiert werden.
2. Armutsstigmatisierung beenden und strukturelle Ursachen anerkennen
- Unterlassung stigmatisierender Äußerungen in politischen Debatten, denn
Bürgergeld-Empfänger*innen und Familien in materieller Not sind keine
„Schmarotzer“ oder „Arbeitsverweigerer“ und haben ein Recht auf
armutssensible Sprache.
- Anerkennung struktureller Ursachen von Armut in Politik und Gesellschaft.
Denn die Regelsätze im Bürgergeld für Wohnraum, Teilhabe und insgesamt für
ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen sind zu gering.[6]
- Beteiligung armutsbetroffener Kinder, Jugendlicher und Familien an
Diskussionen und Lösungsvorschlägen. Ihre Erfahrungen, Sorgen, Ängste und
Vorschläge müssen gehört werden. Kein „über sie ohne sie“!
3. Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe ermöglichen
- Ausbau und auskömmliche Finanzierung von kostenfreier bzw. bezahlbarer
Kinderbetreuung, außerschulischen Bildungsangebote und Ausbau von
Ganztagsschulen.
- Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung mit auskömmlicher
Finanzierung, damit gut ausgebildete Fachkräfte Grundschulkinder fördern
und nicht nur betreuen.
- Erhöhung der Zahl der Familiengrundschulzentren (derzeit sind diese nur in
ca. jeder 10. NRW Kommune zu finden). Familiengrundschulzentren sind schon
jetzt wirksame Angebote gegen Isolation und Überforderung von Kindern und
deren Sorgeberechtigte und können auch der überproportionalen
Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Einwanderungsgeschichte[7]
entgegenwirken und Armutsrisiken frühzeitig adressieren.
- Teilhabe von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen an Sport, Kultur,
Vereinen und Jugendverbänden erleichtern. Dazu gehören außer kostenfreien
Mitgliedschaften auch kostenlose Nahverkehrstickets über den Schulweg
hinaus, damit Teilhabe an Kultur, Sport, Vereinen und ehrenamtliches
Engagement nicht am Weg scheitert.
4. Gesundheit und Ernährung
- Ausbau der Mittel für den Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“. Mit der
in 2022 gestarteten Förderung wurde im Schuljahr 2022/2023 insgesamt
920[8] Kindern die Teilnahme am Mittagessen in Schulen und
Kindertagesstätten ermöglichen. Was ist mit den insgesamt 9,7% Kindern in
Armutslagen? Bundesweit steigt die Zahl der Kinder, die unter Adipositas
leiden erschreckend, da in Familien mit geringem Einkommen eher „Fast
Food“ als „Gesundes“ auf dem Speiseplan steht.[9] Gleichzeitig kommen
Kinder in Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit und in Angebote der
Jugendverbandsarbeit und fragen nach Essen, da sie ohne Mittagessen,
manchmal sogar ohne Frühstück aus der Schule kommen.[10]
- Kostenlose Sportangebote und Angebote zur Gesundheitsförderung in
erreichbarer Nähe fördern. Für ein gesundes Aufwachsen brauchen Kinder und
Jugendliche Bewegung.
5. Chancen der Jugendverbandsarbeit
- Ehrenamt für alle ermöglichen. Im Selbstverständnis der Jugendverbände ist
ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen für Jugendliche bis heute ein
konstitutives Merkmal. Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen
Bereichen engagieren sich besonders viele junge Menschen in der Kinder-
und Jugendarbeit. Trotzdem wirkt (drohende) Armut als Hemmfaktor für die
Ausübung eines Ehrenamts: So lassen sich starke Zusammenhänge zwischen
finanziellen Ressourcen einer Bevölkerungsgruppe und ihrer Engagementquote
feststellen. [11]
6. Einbindung von Rentner*innen – generationenübergreifendes Engagement
- Rentnerorganisationen, Gewerkschaften, Seniorenvertretungen sollen sich
politisch dafür einsetzen, dass auch junge Menschen (und Familien) eine
faire Teilhabe bekommen. Hierfür muss der LJR mit diesen Organisationen
kooperieren.
- Gemeinsame Kampagnen generationenübergreifend: z. B. Rentner*innen und
Jugendverbände gemeinsam fordern bessere Sozialpolitik, bezahlbares
Wohnen, faire Regelsätze.
[1] Die Studie „Wie geht es den Menschen im Bürgergeldbezug?“ von Sanktionsfrei
aus 2025 hat 1.014 Befragte erhoben, die Bürgergeld beziehen. sanktionsfrei.de
[2]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/218386/umfrage/hartz-iv-
kinder-in-bedarfsgemeinschaften-in-deutschland-nach-bundeslaendern/
[3]
https://statistik.nrw/service/veroeffentlichungen/themenschwerpunkte/armut/wer-
nrw-ist-von-erheblicher-materieller-und-sozialer-entbehrung-betroffen
[4]https://www.mkjfgfi.nrw/startschuss-fuer-den-pakt-gegen-kinderarmut
[5]https://www.bmbfsfj.bund.de/bmbfsfj/aktuelles/alle-meldungen/bessere-chancen-
fuer-benachteiligte-kinder-in-der-europaeischen-union-182136
[6] https://www.der-paritaetische.de/themen/sozial-und-
europapolitik/armutabschaffen/
[7] https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/520131/wie-praegt-der-
migrationsstatus-den-bildungserfolg/
[8]https://www.land.nrw/pressemitteilung/landesregierung-verlaengert-
haertefallfonds-alle-kinder-essen-mit
[9] https://www.who.int/europe/de/news/item/01-04-2025-make-obesity-prevention-
and-management-a-central-pillar-of-public-health-experts-urge,
https://www.fr.de/politik/buergergeld-reichen-42-euro-pro-tag-fuer-gesunde-
ernaehrung-93192786.html
[10] Umfrage unter Evangelischen Offenen Türen (ELAGOT) in 2025
[11] Deutsche Jugend 9/25 Seite 326, (Simonson u. a. 2021, S. 75 f)

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